Werte öffentlich diskutieren



Vier junge Politiker der Region stören sich an religiöser Werbung. Sie schätzen und achten zwar die Glaubensfreiheit und gestehen ein, dass Religion eine wichtige Basis für ethische Werte sein kann. Gleichzeitig finden sie aber, dass Werbung mit Bibelzitaten sowie eine Plakatkampagne mit Fragen zur Identität des Menschen – wie sie in den letzten Wochen aushingen – religiöse Gefühle verletzen, den Frieden gefährden und ihr sittliches Empfinden stören würden. Sie stellen zudem die Frage, wie weit die Vermarktung von Religion gehen dürfe.

Als Verantwortlicher einer der beiden Kampagnen nehme ich zu diesen Fragen und Äusserungen gerne Stellung. Vorab ist es begrüssenswert, wenn sich junge Menschen mit Kampagnen auseinandersetzen, welche die Grundfragen des Menschseins angehen. Der Religionsfriede in unserem Land wird aber nicht dadurch gefährdet, dass Kernaussagen der Bibel wieder ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit kommen oder Fragen zum Menschsein gestellt werden. Im Gegenteil, wenn Religion tabuisiert und privatisiert wird, besteht diese Gefahr viel eher. Welche Werte ein Mensch auch immer vertritt, er wird sie eben gerade nicht nur im Privaten leben, sondern religiöse Überzeugungen und ethische Werte nimmt der Mensch überall hin mit. Gerade deshalb ist eine öffentliche Diskussion darüber, welche Werte zukunftstauglich sind und welche für eine Gesellschaft destruktiv sind, bitter nötig. Beide Kampagnen der letzten Wochen sind ein Beitrag, diese Wertediskussion wieder vermehrt öffentlich zu machen.

Es ist eine Illusion zu denken, Werbung sei grundsätzlich wertneutral und religionsfrei. Gerade Produktewerbung verbreitet heute sehr fragwürdige Werte. Ich denke an Geschlechter diskriminierende Werbung, an Materialismus-Vergötterung oder an Angstschürerei mit Plakaten. Sind die Kampagnen nicht immer hemmungsloser, weil christliche Werte in der Öffentlichkeit kaum mehr Bedeutung haben? Über viele Jahrzehnte waren biblische Inhalte und Werte hier allgemein bekannt. Entsprechend hat unsere Gesellschaft Respektierung der Menschenrechte, Rechtsstaat und Demokratie, ja auch Wohlstand und Sozialstaat entwickeln können. Diese Errungenschaften werden dann gestärkt, wenn religiöse und ethische Fragen in einer Gesellschaft öffentlich diskutiert werden. Eine Tabuisierung, wie es heute leider die Tendenz ist, würde vielleicht vordergründig niemanden vor den Kopf stossen, aber dem religiösen Wildwuchs Tür und Tor öffnen.

Schliesslich könnte man fragen, was wohl eher das sittliche Empfinden der Bevölkerung stört. Ist es der Satz: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“ Oder der Slogan der Jungfreisinnigen unter einem knapp bedeckten Frauenpo: „Politik darf dir nicht am Arsch vorbei gehen!“ Die Lesenden mögen selber urteilen.

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