Zeichen für die Ärmsten

von Dölf Barben
Der Grosse Rat verpflichtet den Regierungsrat, sich beim Bund mit einer Standesinitiative für mehr Entwicklungshilfe einzusetzen. Direkthilfe aus der Kantonskasse war für den Rat aber des Guten zu viel.
Der Thuner EVP-Grossrat Marc Jost klang gestern im Kantonsparlament wie ein Pfarrer. Allerdings: Jost ist auch Pfarrer (beim Evangelischen Gemeinschaftswerk), zudem eignete sich sein Thema perfekt für eine Predigt. Für Leute hierzulande sei es selbstverständlich, hob er an, dass sie ein Frühstück haben, und auch sauberes Wasser und Medikamente. «Jetzt stellt euch vor, ihr habt eine Infektion und könnt euch keine Medikamente leisten.»

Jost erinnerte an all die Menschen, die in Armut leben, und an jene, denen wegen der Finanzkrise ein Rückfall in die Armut droht. Vor diesem Hintergrund ist es für Jost unverständlich, dass der Bundesrat eine Erhöhung der Entwicklungshilfe von 0,4 auf 0,5 Prozent des Volkseinkommens ablehnt –zumal die Uno den Industrieländern empfiehlt, 0,7 Prozent für die Bekämpfung von Hunger und Armut einzusetzen. In seiner Motion forderte Jost deshalb, der Kanton Bern solle sich mittels Standesinitiative beim Bund dafür einsetzen, dass dieser Beitrag auf diesen Wert erhöht wird. Zudem soll der Kanton Bern künftig selber 0,7 Prozent seines Volkseinkommens in die Entwicklungshilfe investieren. Dies würde die bernische Staatskasse mit rund 60 Millionen Franken belasten. Jost präsentierte gleich einen Vorschlag, wie die Ausgabe finanziert werden könnte: durch eine Änderung bei der Erbschaftssteuer.

«Kann fast nicht dagegen sein»

Bei seinen Zuhörerinnen und Zuhörern stiess Jost grundsätzlich auf Zustimmung. «Man kann fast nicht dagegen sein», sagte Susanne Bommeli (fdp, Bremgarten). Wie sie argumentierten auch andere bürgerliche Sprecherinnen und Sprecher: Entwicklungshilfe sei zwar gut und richtig, aber sie gehöre nicht zu den Kernaufgaben und Kernkompetenzen eines Kantons. Und zu bedenken sei auch: 60 Millionen Franken würden anderswo fehlen.

Entwicklungshilfe sei primär eine Aufgabe des Bundes, sagte Gerhard Fischer (svp, Meiringen). Und wie Elisabeth Blaser (bdp, Oberthal) wies er auf das in der Schweiz verbreitete Engagement von Privaten hin. «Wenn man das hochrechnet, ergibt das einiges mehr als 0,7 Prozent.»

Vorbehaltlos unterstützt wurde Jost lediglich von seiner Partei und von den Grünen: Es gehe nicht um ein bisschen mehr oder weniger Fleisch, sagte sein Parteikollege Ruedi Löffel, «es geht um Leben und Tod». Es sei nicht richtig, wenn der Regierungsrat in seiner Antwort schreibe, die Thematik sei für den Kanton Bern «nicht von besonderem Interesse». Enttäuscht von der «eher formalistischen Antwort» des Regierungsrats zeigte sich auch Erik Mozsa (grüne, Bern). Armutsbekämpfung gehe auch den Kanton Bern etwas an. Und für die Grünen sei es unverständlich, dass die Schweiz als eines der reichsten Länder mit ihrem Engagement hinter anderen Industrieländern zurückbleibe. Diesen Umstand kritisierte ebenfalls die SP: «Das ist schäbig», sagte Paula Ramseier (Bern). Mit der zweiten Forderung – 60 Millionen Franken Direkthilfe des Kantons – habe die SP «aber Mühe».

Punktuelle Unterstützung

Damit war für Jost klar, dass die Direkthilfe keine Mehrheit finden würde im Rat; deshalb zog er den Punkt zurück. Auch Finanzdirektor Urs Gasche (bdp) hatte die Argumente des Regierungsrats nochmals kurz erläutert. Dieser hatte dem Rat Ablehnung beider Punkte beantragt. Der Kanton, der bereits heute punktuelle Unterstützung leiste, brauche sich nicht vorwerfen zu lassen, er nehme diese Aufgabe nicht gebührend wahr, sagte Gasche. Nach den Kantonen Genf und Zürich leiste Bern diesbezüglich am meisten. Gegen eine Standesinitiative sprach sich Gasche auch deshalb aus, weil dieses Instrument durch die in letzter Zeit häufige Verwendung seine Wirkung zu verlieren drohe. Es sollte nur gebraucht werden für Dinge, «die wirklich wichtig sind für den Kanton Bern».

Den Grossen Rat beeindruckte dieses Argument wenig; er überwies Punkt 1 der Motion mit 73 zu 66 Stimmen. Der Regierungsrat muss nun – gegen seinen Willen – eine Standesinitiative ausarbeiten.
(Der Bund)

Kommentare

Oliver Merz hat gesagt…
Hey Marc!

Ich schätze dich einfach sehr. Go on, aber häb o Sorg zu dir u dire Family, gäu.

Grüessli und bis gli

BroccOli

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