Begnadete Leistung?

Kennen Sie Calvin? Nein, ich meine nicht die kleine schulmüde Comic-Figur. Ich denke an den Reformator, der Genf und noch viele andere Städte tiefgreifend verändert hat. Vor rund 500 Jahren ist er geboren, deshalb feiern wir neben dem Darwin- auch das Calvin-Jahr. Mich beschäftigt eine Frage besonders, wenn ich an Johannes Calvin denke: Welchen Stellenwert hatte für diesen grossen Theologen (und Juristen) die Arbeit?
Wie ich gerade auf diese Frage komme? Einerseits hat Calvin ähnlich wie Luther und Zwingli messerscharf herausgearbeitet, wie der Mensch zum Heil gelangen kann: Nicht durch irgendwelche guten Werke, sondern durch bedingungslose Gnade. Andererseits hat Calvin eine Arbeitsethik vertreten, die zwar jeglichem Selbstzweck eine Absage erteilte, aber von den Menschen trotzdem alles abverlangte. Wie können zwei so unterschiedliche Ansätze von ein und demselben Menschen stammen?
Erst vor kurzem hatte ich dazu ein Aha-Erlebnis. Der Grund könnte in Calvins Prädestinationslehre liegen. Da gemäss seiner Auffassung jeder Mensch seit je her entweder für den Himmel oder die Hölle vorherbestimmt war, sollte sich der einzelne zumindest über seinen Gnadenstand Rechenschaft ablegen. Das hiess also: Kann ich an meinen Werken erkennen, ob ich von Gott gnadenvoll erwählt wurde oder weist mein Lebenswandel auf das Gegenteil? Mit anderen Worten: Fleiss, Zuverlässigkeit und wirtschaftlicher Erfolg bedeuteten, dass der Betroffene dies als Zeichen seiner göttlichen Erwählung verstehen konnte. So viel ich auch von Calvin in verschiedensten Fragen halte, äxgüsi, war seine Prädestinationslehre ein Schritt zurück in die Zeit vor der Reformation? Ich fürchte ja.

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