Religion als Privatsache ist gefährlich

Was haben Einkommen, Glaube und Gewicht gemeinsam? Richtig, es gilt als Tabu oder Privatsache des Schweizers. Und wir fragen nicht danach. Aber zumindest die ersten beiden Stichworte interessieren die Medien jeweils brennend, wenn es nach Brisanz, Irritation oder Skandal riecht.
Ich werde selten nach meinem Einkommen befragt, aber horrende Managerlöhne interessieren und werden – zu Recht – kritisiert. Wie schwer ich bin, will ausser meinem Arzt und meiner Frau niemand wissen. Auf meinen Glauben werde ich im persönlichen Gespräch kaum direkt angesprochen, wenn Medien jedoch über mich als Person berichten, ist gerade das Religiöse brisant, weil es nicht ganz gewöhnlich ist.
Und in einer Zeit, in der es eigentlich fast keine Tabus mehr in den Medien gibt und schamlos über Intimes berichtet wird, steht das verbreitete Verständnis – Religion sei Privatsache – doch etwas schräg in der Landschaft. Muss der persönliche Glaube ganz privat sein oder wäre es besser, wenn wir viel mehr darüber reden würden?
Über den persönlichen Glauben reden ist aus meiner Sicht aus folgenden Gründen sinnvoll:
Im Gespräch über Glaube und Religion können Vorurteile hinterfragt und abgebaut werden.  Gegenseitiges Verständnis kann wachsen, wenn wir vom Gegenüber erfahren, weshalb es glaubt, was es glaubt. Und schliesslich können solche Gespräche friedensfördernd sein, wenn statt mit Hass und Ablehnung der anderen Sichtweise mit Verständnis und Respekt begegnet wird.
Gleichzeitig ist Glaubensdialog auch Wettbewerb zwischen Religionen und Weltanschauungen. Das ist etwas Gutes, denn die eigene Vorstellung wird hinterfragt. Und dies führt bei ehrlichem und ernsthaftem Bemühen näher zur Wahrheit, näher zur Wirklichkeit.

Jesus sagt von sich: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Manchmal scheint es uns vielleicht einfacher, solche steilen Aussagen zu tabuisieren und sich nicht den Kopf zu zerbrechen. Ich bin jedoch überzeugt, Dialog über den Glauben kann uns der Wahrheit näher bringen und fördert ein gutes Zusammenleben. Deshalb keine falschen Hemmungen!
erschienen in "Berner Oberländer" vom 2. Mai 2014

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