Im letzten SF-Club-Gespräch des vergangenen Jahres hat Christine Maier in die Runde gefragt: „Ist Glaube eigentlich Privatsache?“ Man war sich nicht einig. Während Freidenker eher sagten ja, Religion gehört ins Privatleben, meinten sowohl ein Rabbiner als auch Christen unterschiedlicher Konfessionen, dass der Glaube sehr wohl auch öffentlich sei. Der Unternehmer Rolf Hiltl hatte eigentlich recht, als er sagte: „Dieses Club-Gespräch zeigt ja, dass Glaube nicht Privatsache ist.“ Das Schweizer Fernsehen hatte durch das Thema „Woran glauben Sie?“ den Glauben von fünf Personen einmal mehr öffentlich gemacht; und das ist gut so! Zu oft glauben wir Mitteleuropäer, dass die eigene religiöse Überzeugung den Mitmenschen genauso wenig angeht wie die eigene Lohnabrechnung oder die Steuererklärung. Ich meine hingegen, der persönliche Glaube sollte nicht tabuisiert werden.
In Thun veranstaltet die Evangelische Allianz der Region zum zweiten Mal „ProChrist-live“ mit Pfarrer Ulrich Parzany, ehemaliger CVJM-Generalsekretär. So ein Grossanlass mit musikalischem Rahmenprogramm, Interviewgästen und Referat kostet viel Geld, insbesondere wenn die Öffentlichkeit auch darauf aufmerksam gemacht werden soll. Und tatsächlich ist in diesen Tagen in der Region nicht zu übersehen, dass vom 8. bis 16. Januar in Thun „gezweifelt und gestaunt“ werden soll. Der christliche Glaube soll Stadtgespräch - oder eben öffentlich - werden. Wieso? In unserer säkularen Gesellschaft droht Religion in eine Schublade versorgt zu werden, die jeder nur heimlich für sich zu Hause öffnet. Entweder aus einer Angst heraus, nicht mehr als seriöser Zeitgenosse wahrgenommen zu werden oder aus falscher Rücksicht, damit ja kein Mensch mit anderen Überzeugungen vor den Kopf gestossen werde. Diese Haltung ist in zweierlei Hinsicht schädlich: Zum einen steht eine „Ich-und-mein-Gott-Spiritualität“ in der Gefahr, nur um sich selber zu drehen oder sogar durch Extrempositionen völlig von der Realität entfremdet zu werden. Und zum andern ist der christliche Glaube geradezu daraufhin angelegt positiv in die Gesellschaft hineinzuwirken. Dies geschieht immer wieder auch publikumswirksam. Gerade in der öffentlichen Auseinandersetzung wird der Glaube überprüft, geläutert und kontextualisiert. So dass der Christ auch heute „dem Juden ein Jude und dem Griechen ein Grieche" oder eben auch dem Oberländer ein Oberländer werden kann.
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